Über "Così fan tutte"

"So machen's alle", aber wer gibt es zu?

Statt einer Premiere. An der Staatsoper hätte man ab Freitag wieder Mozarts "Cosi fan tutte" gespielt, ein Werk, das noch gar nicht so lange als vollgültig anerkannt ist.

Freitag wäre ein Premieren-Tag der Staatsoper gewesen. Riccardo Muti hätte sein Comeback ans Haus am Ring mit Mozarts "Cosi fan tutte" gefeiert, mit einem Werk also, das in seiner Karriere einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Es war Muti, der 1982 mit einer Salzburger Festspiel-Premiere von "Cosi fan tutte" ein Zeichen setzte. Galt doch damals, eine sozusagen wienerisch-philharmonische Gegenposition zur sogenannten Originalklang-Praxis zu formulieren, die gerade in Mode kam und alle lieb gewordenen Hörgewohntheiten über den Haufen zu werfen drohte.

Muti gelang es, historische Erkenntnisse mit der Wiener Spieltradition zu harmonisieren. Das machte "seinen" Mozart unwiderstehlich. Die Verfilmung der späteren Staatsopern-Produktion im Theater an der Wien unter Mutis Leitung darf als historisches Dokument gelten. Bis in die kleinsten Pointen der Rezitative war diese Interpretation durchgearbeitet.

Da Pontes schlüpfrige Pointen

Dass Muti, der Neapolitaner, den Sängern die keineswegs immer stubenreinen Anspielungen auf süditalienische Dialekt-Wörter in Lorenzo da Pontes Libretto erklären konnte, machte den Spaß für die Ausführenden spürbar noch größer als sonst in dieser pointenreichsten aller Buffo-Opern.

Das Wissen um deren Qualitäten beruhte übrigens keineswegs auf einer langen Tradition. Da waren zwar Karl Böhms legendäre Produktionen mit Primadonnen-Duos wie Gundula Janowitz und Brigitte Fassbaender (für Schallplatten verewigt 1975), Elisabeth Schwarzkopf und Christa Ludwig (1960), oder auch Irmgard Seefried mit der Ludwig (im "Mozartjahr" 1956).

Und schon anlässlich der ersten Opernaufführungen, die überhaupt im Rahmen der Salzburger Festspiele stattfanden, hatte Richard Strauss eine Lanze für "Cosi fan tutte" gebrochen. Doch war das anno 1922 keineswegs selbstverständlich.

Noch Gustav Mahler hatte gegen Vorurteile anzukämpfen, als er in der Spielzeit 1900/01 dieses Stück dem Wiener Publikum in seiner ursprünglichen musikalischen Gestalt vorstellte. Man kannte "Cosi fan tutte" bis dahin nur in einer vollkommen entstellten Version, in der inhaltlich kein Stein auf dem andern geblieben war.

Das wiederum hatte seine Gründe in der Ablehnung von Lorenzo da Pontes Libretto, die sich schon wenige Jahre nach der Uraufführung der Oper (1790) manifestiert hatte. Die Ära der Romantik sah in dem mit zynischem Witz vorgestellten Partnertausch eine Frivolität sondergleichen. Noch Richard Wagner mokierte sich kräftig über den Inhalt des Werks und meinte, es sei kein Wunder, dass Mozart zu einem solchen Stoff nur mindere Musik einfallen konnte.

Womit sich der Bayreuther die Welt wieder einmal zurechtbog. Was er wirklich von der Partitur hielt, zeigt ein Blick auf seine Konzertprogramme. 1855, bei seinem Antrittskonzert in London, dirigierte er ein Terzett aus "Cosi fan tutte" nebst einer Haydn-Symphonie und Beethovens "Eroica" . . .

Apropos Beethoven: Auch er, ein glühender Mozartianer, kritisierte die letzte der drei Da-Ponte-Opern heftig und meinte einmal gegenüber dem Dichter Ludwig Rellstab, er selbst wäre nie imstande gewesen, etwas dermaßen Unmoralisches in Musik zu setzen. Und doch bewunderte er die Musik dieser Oper.

Auf kein Werk Mozarts bezieht sich Beethoven so ungeniert wie auf "Cosi fan tutte". Man beachte die Faktur des wunderbaren Quartetts aus dem ersten Bild des "Fidelio", wie da aus der kanonischen Harmonie dreier Stimmen eine vierte, jene des Jaquino, ausbricht - mit ebenso gutem dramaturgischem Grund wie im ganz ähnlich gearbeiteten Quartett, das während der Hochzeitszeremonie im "Cosi"-Finale gesungen wird. Da ist es der verbitterte Guglielmo, der wünschte, "es wäre Gift im Wein".

Mozart und die "Leonoren-Arie"

Noch viel offenkundiger sind die Parallelen zwischen der großen Leonoren-Arie und dem Rondo der Fiordiligi: In beiden Fällen geht es um die Bekundung unverbrüchlicher Treue, beide Arien stehen in E-Dur, beide setzen der Sopranstimme Horn-Soli entgegen - und sie stimmen in der Form überein.

Zufälle können das nicht sein.

So versuchte denn auch die Nachwelt, Mozarts Musik vor da Pontes Text zu retten. Am dauerhaftesten hielt sich die Bearbeitung des von Wagner so geschmähten Eduard Devrient, der die Handlung vollkommen umschrieb und aus den unbeständigen Damen Muster an Treue und Redlichkeit machte. Wo es dann gar nicht mehr zusammenging, strich man Arien und Szenen weg - unter anderem ausgerechnet das von Beethoven paraphrasierte Rondo!

Erst Mahler hat die wahren Verhältnisse zwischen Text und Musik und damit die Doppelbödigkeit des Werks wieder in ihr Recht gesetzt. Noch ein knappes Jahrzehnt nach seiner Wiener Einstudierung versuchte man in Deutschland einen kompletten "Cosi"-Neustart: Karl Scheidemantel unterlegte den Arien und Ensemblesätzen Mozarts ein Libretto nach Calderons Komödie "Dame Kobold".

Insofern sind wir doch gescheiter geworden und spielen die Oper "Cosi fan tutte", wie Mozart sie notiert hat; wenn wir denn gerade theaterspielen dürfen . . .