Staatsoper. Wagner-Diva Camilla Nylund erzählte über Frauenliebe und -leben.
Liederabende in der Staatsoper? Wenn sich Opern-Stars vor einem auf Oper geeichten Publikum dem intimen Lied-Genre widme, stimmt der Rahmen so wenig wie meist die stimmliche Potenz der Interpreten. Zudem wird notorisch behauptet, Opernsänger würden dabei mit Kanonen auf Spatzen schießen, sobald sie Schubert oder Schumann singen. Das trifft die Sache nur halbwegs. Kanonen, ja. Aber Spatzen?
Camilla Nylund und Helmut Deutsch ließen am Montag solche Assoziationen gar nicht erst aufkommen. Gewiss erlaubten zunächst nordische Gesänge, die Macht der idealen Sieglindenstimme auszukosten. Die emotionalen Crescendi in Sibelius' "Flickan kom" und der "schwarzen Rose" zollten dem Genius loci genügend Tribut. Sie ließen aber auch ahnen, wohin die Reise führen würde: Immer wieder nahm Nylund ihren fülligen Sopran ins Piano zurück und bewies, dass er auch in diesen Regionen tragfähig agiert.
Mit Schumanns "Frauenliebe und -leben" tobten die Stürme dann inwendig. Für die poetisch-zarten Stimmungsbilder einer aufblühenden Liebe fand der Sopran dann ganz ohne breites Vibrato zu feinen, leisen Tönen. Selbst die überschäumende Schwärmerei in Liedern wie "Er, der herrlichste von allen" verlockte Nylund nicht zur dramatischen Emphase. Dass nicht alle Ziernoten so filigran in die Linienführung eingebunden wurden wie in Originalklangzeiten bei barocken Oratorien üblich, wird nur der kritischste Sachwalter des reinen Liedgesangs anmerken.
Was Helmut Deutsch weiß
Die wohlig-beschauliche Stimmung im "Ring an meinem Finger", die sanfte Innigkeit des "Seit ich ihn gesehn" erwiesen die stilistische Sicherheit der Künstlerin, das ausführliche Klaviernachspiel zum Ausklang verriet, dass Helmut Deutsch auch deshalb ein begnadeter Partner für die Sänger ist, weil er weiß, dass es von Robert Schumann auch den "Carnaval" und die "Kreisleriana" gibt - und er entsprechende Atmosphäre zu erzeugen imstande ist.
Er weiß aus Erfahrung auch genau, wie lange die Harmonien im Ausklang von Richard Strauss' "Morgen" jeweils nachklingen dürfen, wann der nächste Akkord folgen muss, um die Musik im Fluss zu halten und nicht in Larmoyanz erstarren zu lassen.
So bleiben die Gefühle echt, die Camilla Nylunds Gesang frei werden lässt, arten nicht in Schaustellerei aus. In diesem Sinne bedürfen dann auch die emotionellen Eruptionen einer "Heimlichen Aufforderung" oder gar einer "Cäcilie" keines besonderen Nachdrucks: Die Stimme schwingt sich in höchste Höhen, mühelos und strahlend. Der Klang sagt alles.
Nur die naive Geste, die es für Mahlers Frage "Wer hat dies Liedlein erdacht" bräuchte, steht der Nylund nicht zu Gebote. Dafür servierte sie eine große Lehar-Szene so blutvoll, dass man an Marcel Prawys Forderung erinnert wurde: Operette gehört in die Staatsoper. Ja, genau. Und zwar mit Interpreten wie Camilla Nylund!