Festspiel-Wurzeln

Des Kaisers Tafeldecker erklärt die Festspiele

ORF-Dokumentation. Beate Thalbergs hintergründiger Salzburg-Film ist noch drei Tage online abrufbar.

Dieser Tage ist viel über die Salzburger Festspiele zu lesen, zu hören, zu sehen. Dass der Veranstaltungsreigen überhaupt stattfinden kann, wird allenthalben gebührend gefeiert. Dass die Geschichte des Festivals vielschichtiger ist, als sie derzeit gern dargestellt wird, ließ sich jüngst immerhin erahnen: Am Abend der Festspieleröffnung lief im Rahmen der Schwerpunkt-Sendungen in ORF 2 Beate Thalbergs "Das große Welttheater - Salzburg und seine Festspiele".

Für alle, die das versäumt haben: Bis Freitagabend lässt sich der Film in der TV-Thek noch anschauen. Es lohnt sich. Denn Thalberg, der schon sensible mediale Aufarbeitungen wie jene des Lebens - oder jedenfalls eines Lebensabschnitts - von Gustav Mahler gelungen sind, schürfte auch diesmal wieder tiefer als die heute üblichen, unter Absingen von hochtrabenden Moderatoren-Texten auf 45-Minuten-Länge aufgeblasenen Kompilationen von Archivmaterial.

Thalberg erzählt Geschichte - in Bildern, Filmfragmenten und Episoden. Und sie lässt einen Zeitzeugen wieder lebendig werden, der tatsächlich überall dabei war: Franz Swatosch, der einst als oberster Tafeldecker des Kaisers fungierte - und nach 1918 nicht arbeitslos wurde, weil ein neuer Kaiser, der Regisseur und Festspielgründer Max Reinhardt, unumschränkter Herrscher der Schauspielbühne seiner Ära, ihn zu seinem Kammerdiener machte.

Er war Reinhardts Zeremonienmeister

Swatosch war der Zeremonienmeister der legendären Feste in Reinhardts Privatbesitz zu Füßen des Mönchsbergs, Schloss Leopoldskron. Das ist ebenso wahr wie alle Geschichten, die uns Florian Teichtmeister in der Rolle dieses Franz Swatosch in Thalbergs Film berichtet.

Dass die Sendung unter der Rubrik "Doku & Reportage" abrufbar ist, darf als gelinde Untertreibung bezeichnet werden. Sie ist ein Kunstwerk, in dem historische Film- und Bilddokumente nahtlos in neu gedrehte Szenen übergehen, in dem der Kammerdiener mit uns heimlich Dialoge belauscht, die wirklich stattgefunden haben, in dem die Festspielgeschichte sich spiegelt in vielfachen Brechungen - aus der Sicht des illustren Publikums, der Fotografen, der Festspielmacher, der Historiker.

Dass ein Mann wie Richard Strauss bei solcher Aufarbeitung der Geschichte etwas schlechter wegkommt, als er das vielleicht verdient hätte, dass ein wichtiger Festspiel-Leiter wie Clemens Krauss, der sogar in Leopoldskron wohnen durfte, als man Reinhardt längst ins Exil getrieben hatte, gar nicht vorkommt, während die schöne Margarete Wallmann eine viel größere Rolle spielt als ihr, genau genommen, zukäme - das sind Details, über die es sich lohnen würde zu diskutieren.

Ja, wir sollten über Salzburg reden - nicht die üblichen Phrasen austauschen. Eine solche weiterführende Diskussion angestoßen zu haben ist Verdienst dieser Produktion.