Otto Biba, langjähriger Direktor des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien-und damit Herr über eine der wertvollsten Musikaliensammlungen der Welt-,hat eine originelle Konzertreihe ins Leben gerufen: Unter dem Titel "Nun klingen sie wieder" präsentiert er Instrumente aus dem Archiv, die zum Teil seit Jahrhunderten nicht mehr zu hören waren.
Dabei konnten Musikfreunde bereits Kuriositäten entdecken. Etwa die zur Biedermeier-Zeit modische "Stockflöte", die es dem Flaneur ermöglichte, irgendwo unter freiem Himmel seinen Spazierstock in eine Flöte zu verwandeln und zu musizieren.
Freilich beherbergen die Sammlungen auch wertvolle Instrumente aus dem Besitz großer Musiker und Komponisten. Die nächste Folge widmet sich der Viola da Gamba, also einer ganzen Instrumentenfamilie, die von der großväterlichen Bassgambe bis zum Sopran-"Baby" alle Register umfasste und vor der Landnahme von Violinen und Violoncelli das weite musikalische Land unumschränkt beherrschte: Die Gambe war das allumfassende Streichinstrument-der Kontrabass ist in unserem Symphonieorchestern der letzte Überlebende der Spezies.
Damen vorbehalten. Mit Maddalena del Gobbo hat sich Otto Biba diesmal einer charmanten und versierten Instrumentalistin versichert, die im umfassendsten Sinne des Wortes alle Gamben-Spielarten beherrscht. Sie bringt Kollegen mit, Eva Münzberg (Pardessus de Viole), Christoph Urbanetz (Baryton), Florian Wieninger (Violone) und den Cembalisten Anton Holzapfel. Gemeinsam musiziert man Gambenmusik aus drei Jahrhunderten. Wobei mit der Violone die Vorform unseres Kontrabasses zu bestaunen ist. Die Pardessus de Viole wiederum ist die Gambe in der höchsten Lage: Der Sopran war im Frankreich des frühen 18. Jahrhunderts vornehmlich den Damen vorbehalten. Für das Baryton wiederum, mit dem die Instrumentenbauer des 18. Jahrhunderts einen Sonderweg beschritten, hat sich Maddalena del Gobbo schon einmal selbst eingesetzt, indem sie auf diesem Instrument eine ganze CD aufgenommen hat.
Geheimnisvolle Bordunsaiten. In der Musikgeschichtsschreibung hat das Baryton auf Grund der zahlreichen Werke überlebt, die kein Geringerer als Joseph Haydn komponiert hat. Und das kam so: Wie so oft hängt es an einer einzigen Persönlichkeit, in diesem Fall war Fürst Esterházy, der Dienstherr Haydns, der Promotor des raren Instruments. Haydn war seit den 1770er-Jahren der unermüdliche fürstliche Opernkapellmeister. Das wusste die ganze Welt. Doch vor dieser Ära machte man in Eisenstadt und Esterháza eher Kammermusik. Und diese Musik dominierte der Klang eines Instruments, von dem wir heute ohne den musikalischen Fürsten nicht einmal mehr den Namen kennen würden: Nikolaus, der Prachtliebende, spielte Baryton.
Optisch würden wir in unseren Tagen dieses Instrument am ehesten mit dem Cello vergleichen, klanglich am ehesten mit einer Bratsche. Doch schwingt im Klang des Barytons im wahrsten Sinn etwas Geheimnisvolles mit. Sogenannte Bordunsaiten, unterhalb der eigentlich gespielten Saiten angebracht, umgeben den Klang stets noch mit sanften Sphärenharmonien. Weitere Zusatzsaiten waren wie Gitarresaiten zum Zupfen gedacht. So umfasste diese Hybridinstrument eine erstaunliche Klangpalette, während der harmonische Bereich ziemlich begrenzt war. Die mitklingenden Saiten konnten ja nicht umgestimmt werden, sodass sich angenehme Effekte nur in bestimmten Tonarten ergaben. Daher stehen denn die meisten der Hunderten(!) Werke, die Joseph Haydn für das Baryton geschrieben hat, in immer denselben Tonarten. Wär' nicht Haydn gewesen, wenn ihm nicht trotz dieser Beschränkungen immer etwas Neues eingefallen wäre.
Man darf sich also durchaus auch in diesem kuriosen Klangumfeld auf kompositorische Meisterwerke freuen. Und auch einige Cembalo-Zwischenspiele, die Anton Holzapfel auf historischen Instrumenten der Musikvereinssammlung musizieren wird; auch diesbezüglich darf man sich auf Überraschungen gefasst machen.