Diese CD, schon einige Zeit im Handel, darf nicht unter den Radarschirm von Musikfreunden geraten, die an der Wiener Klassik interessiert sind. Viel zu wenig beschäftigt man sich mit der Frage, wie die Kunst Haydns, Mozart und in der Folge jene des Jahresregenten Beethovens eingebunden ist in die Zeitläufte der Musikgeschichte. Dass Beethoven, wie der Graf Waldstein das so schön ausgedrückt hat, „Mozarts Geist aus Haydns Händen empfangen“ konnte, geschah ja nicht im luftleeren Raum.
Zu den Wegbereitern jenes Vokabulars, das wir heute hörend mühelos dem „klassischen Stil“ zuweisen, gehörten die Meister der Mannheimer Hofkapelle. Von Johann Stamitz und seinen Söhnen kennt man immerhin die Namen. Selten aber hört man ihre Musik. Die Flötistin Ana de la Vega und der Oboist Ramón Ortega Quero haben mit den schwungvoll und dank eines profunden Bass-Fundaments auch klangsatt musizierenden Trondheim Soloists eine CD aufgenommen, die zwei Konzerte von Carl Stamitz (1745–1801) mit zweien der „Lirenkonzerte“ von Joseph Haydn kombinieren.
Haydns musikalische Dialektik
Das ist so amüsant wie lehrreich. Denn Stamitz' Musik plaudert schon anregend in jener Sprache, die sein Vater entscheidend mit geprägt hat: Wir schlendern auf halbem Weg, haben den Tonfall des barocken „Concertare“ noch im Ohr, ahnen aber schon die Möglichkeiten, die uns die musikalische Dialektik bald bieten wird.
Und Haydn nutzt sie
dann mit virtuoser Hand. Umso bewundernswerter, als er sein Können in
einen leichtgängigen, wenn auch keineswegs leichtgewichtigen
Divertimento-Stil verpackt. Die Concerti für die „Lira Organizzata“
entstanden für den König von Neapel, dessen Lieblingsinstrument diese
noble Drehorgel-Variante war und mussten sich den beschränkten
Möglichkeiten des Instrumentariums anpassen; und wohl auch den manuellen
Fertigkeiten des musizierenden Monarchen.
Das war ja stets die
Stärke dieses Meisters: Er serviert hintergründigste Pointen mit
Unschuldsmiene. Immerhin entstanden diese Werke in seiner Reifezeit, und
das eine oder andere wird der Kenner seiner Londoner Symphonien auch
wiedererkennen, denn Haydn hat es, kaum verändert, in größer angelegte
Werke übernommen.
Die
Originalfassungen klingen bei den beiden exzellenten Solisten so munter
wie beschwingt und werden herzhaft ausgespielt. De la Vegas
dunkel-schöner, warmer Flötenton kontrastiert zum silbrigen Oboenklang,
findet mit ihm aber auch immer wieder zu vollkommen harmonischen
Parallelführungen. Die Trondheimer Solisten, geführt von Geir Inge
Lotsberg, sind freundliche Partner der Solisten, lauschen aufmerksam,
sorgen für die nötige Unterstützung, setzen aber, wo es nötig ist, auch
energische Antriebskräfte frei. Klassisch!
Ana de la Vega bei IDAGIO