Haydns "letzte Worte", orchestral

Es vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht zur Fastenzeit eine Neueinspielung von Joseph Haydns „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ in den Handel kommt. 2019 war insofern ein wenig anders als es sich in diesem Jahr um eine Aufnahme der ursprünglichen Orchesterversion des Werks handelte, so wie sie anlässlich der ersten Aufführungen anno 1787 in Wien und Cadiz erklungen ist.
Die Domherren der spanischen Stadt hatten bei Haydn ja eine Andachtsmusik für ihre Karfreitagsliturgie bestellt, wobei jeweils ein Instrumentalsatz den meditativen Betrachtungen des Predigers zu einem der „sieben letzten Worte“ Christi folgen sollte. Viel bewundert wurde seither Haydns Kunst, sieben langsame Sätze aufeinander folgen zu lassen, ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Auf der Höhe seiner symphonischen Kunst komponierte Haydn tatsächlich sieben Adagiosätze in Sonatenform und hält mit raffiniert geschürzten dramaturgischen Knoten und klangliche Delikatesse die Aufmerksamkeit der Hörer durchwegs aufrecht.
Für das abschließenden, einzigen Allegro im kunstvollen Gefüge stoßen noch Pauken und Trompeten hinzu, um das von Matthäus so eindrucksvoll geschilderte Erdbeben nach der Kreuzigung adäquat in Klang umzusetzen. Riccardo Minasi hat mit seinem Ensemble Resonanz die Urfassung – die aus Besetzuungsgründen viel weniger bekannt geworden ist als das spätere, über die über die Jahrhunderte viel gespielte Streichquartettversion.
Minasis Prinzip, auf modernem Instrumentarium, die interpretatorische Tradition mit den Erkenntnissen der Originalklangpioniere zusammenzuführen, führt hier zu einem erfrischend differenzierten, durchwegs spannenden Hörerlebnis. (harmonia mundi)