Henzes „Prinz von Homburg“ auf CD

 In der Partitur findet sich die Widmung an Igor Strawinsky. Für einen deutschen Komponisten der Jahre um 1960 war das keine Selbstverständlichkeit. Für Hans Werner Henze zumal, der ja mit eigenwilligen Anverwandlungen der Schönbergschen Zwölftonmethode Furore gemacht hatte.
Doch schon die Bezeichnung „deutscher Komponist“ hätte Henze damals weit von sich gewesen. Italien war längst seine Wahlheimat, gegen Deutschland hegte er heftige Vorbehalte. Im Süden fühlte er sich wohl, da fragte keiner nach Vorlieben, musikalisch so wenig wie in Herzensdingen. In Italien konnte er künstlerische Visionen ausleben, Visionen von einer Musik, die sich zwar der Mittel der Avantgarde bediente, doch die den Gesetzen eines neuen, eines reicheren, farbigeren, nicht nur von Terzen und Sexten geprägten Schönklangs gehorchte.
Das hatte schon gelegentlich der Uraufführung der Märchenoper „König Hirsch“, 1955, heftige Kritik heraufbeschworen: „Wir schreiben heute keine Arien mehr“, beschied man ihm. Darauf antwortet er ausgerechnet mit Kleists „Prinz von Homburg“, von des Komponisten „Lebensmensch“ Ingeborg Bachmann feinsinnig fürs Vertonen eingerichtet; Henze fand hier eine Parabel vom allseits unverstandenen Träumer.
Er schrieb: „Im ,Prinz von Homburg‘ handelt es sich um die Verherrlichung eines Träumers, um die Zerstörung des Begriffs vom klassischen Helden.“ Musikalisch bedeutete das die Zerstörung des Begriffs von der „Neuen Musik“ – nicht nur Schönberg durfte das Leitbild sein, obwohl sich auch im „Homburg“ zwölftönige Passagen finden. Auch Strawinsky darf zu Ehren kommen, sein neoklassizistischer Tonfall schimmert immer wieder durch Henzes Klangkontinuum hindurch.

Wie klingen Nelken und Levkojen?

„Es geht gegen die blinde, phantasielose Anwendung der Gesetze und um die Verherrlichung menschlicher Güte, ... die einem Menschen seinen Platz in dieser Welt einräumen will, obwohl er ein Schwärmer ist und ein Träumer, oder vielleicht gerade deswegen,“ analysierte Henze seinen Kleist.
Die unfehlbare Theater-Pranke des Komponisten bewahrte ihn davor, allzu „verträumt“ ans Werk zu gehen – die Klangkulisse ist den Vorgängen auf der Bühne mer adäquate, treibt die Handlung voran, kennt aber auch Oasen der Stille, wo Streichersolisten und Holzbläserakkorde zerbrechliche Klänge malen, um gelegentlich auch einmal den Duft von Bachmann/Kleists „Levkojen und Nelken“ akustisch widerspiegeln.
Es gab von diesem Werk vor einigen Jahren eine mustergültige Produktion im Theater an der Wien, die – wie so manches – nicht aufgezeichnet wurde, weil man im TV doch lieber wahnsinnig gewordene Beethoven-Tenöre und Jubelchöre aus dem Off in der x-ten „Fidelio“-Regieperversion zeigt, statt das Repertoire klug aufzuforsten.
Nun liegt immerhin eine CD-Aufnahme aus Stuttgart vor, von Cornelius Meister dirigiert und einem von Robin Adams angeführten, engagierten Sängerteam eindrucksvoll gestaltet. Schon die ersten Takte sind bezeichnend, verwandeln in kühnem Schwung martialische Schärfe in Poesie. Die Spannung „hält“ 110 Minuten lang.




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