Igor Levit

Zwischentöne Igor Levit ist in seiner Generation schlicht der Beste Ein Musikkritiker der "Süddeutschen Zeitung" kritisiert Igor Levit - und vermischt politische und ästhetische Kategorien.

Um den Pianisten Igor Levit ist ein Streit zwischen deutschen Musikkritikern entbrannt. Es spiegelt sich darin die ganze Hilflosigkeit, die das Metier befallen hat. Wenn die musikalischen Argumente ausgehen, redet man über politische Gesinnungen. Das fällt im Fall von Levit leicht. Er redet ja ununterbrochen über Politik. Tatsächlich hört sich aber alles auf, wenn eine musikalische Leistung unter dem Aspekt beurteilt wird, ob ein Künstler gegen die AfD ist.

Gewiss haben im Fall Igor Levits die einschlägigen Verlautbarungen des Pianisten geholfen, ihn auch bei Menschen im Gespräch zu halten, die mit Klassik wenig am Hut haben. Umgekehrt konnte Levit in den Zeiten des Shutdowns tagtäglich unglaubliche Quoten erreichen, wenn er via Twitter Livekonzerte gab. 52 verschiedene Konzerte en suite!

Am Ende des Tages wird deshalb die AfD keine Stimme weniger bekommen, aber vermutlich werden etliche Zaungäste dieser Livestreams plötzlich Beethoven für einen guten Mann halten. Damit ist einiges getan. Vermutlich deshalb hat Deutschlands Bundespräsident Steinmeier dem Künstler nun den Bundesverdienst-Orden verliehen. Die Musikkritiker Deutschlands streiten nun darüber, ob es sinnvoll ist, derlei kulturpolitische, sozialpolitische und rein politische Dinge mit Aussagen über das Künstlertum Levits zu vermischen. Vor allem, wenn in diesem Zusammenhang nahezu gar keine ästhetischen oder pianistisch-technischen Überlegungen mehr angestellt werden.

Viel ist immer von Subjektivität die Rede, wenn man Rezensenten am Zeug flicken möchte. Darüber werden die Kritiker selbst unvorsichtig und vergessen, dass sich gerade in musikalisch-kritischen Fragen vieles objektivieren lässt. Zum Beispiel, ob der eine oder der andere Pianist das Legato-Spiel beherrscht.

Wer nun behauptet, hier wäre Levits Achillesferse zu diagnostizieren, begibt sich auf gefährliches Terrain. Das Nämliche ließe sich ja auch von Glenn Gould behaupten, solang man etwa nur das eine oder andere der Präludien aus dessen Aufnahme von Bachs "Wohltemperiertem Klavier" als Beweismittel anführte.

Im Fall Igor Levits genügt es, sein neuestes CD-Album "Encounter" anzuhören, um nicht nur dieses dümmliche Argument zu entkräften. Das Album beweist auch, dass dieser Interpret imstande ist, ein heikles Programm intellektuell vollkommen zu durchdringen. Und das wiederum wirft ein Licht auf eine der bemerkenswertesten Feststellungen in diesem Kritiker-Streit: Levit spiele "in einer anderen Liga" als etwa ein Daniil Trifonov, hieß es in der "Süddeutschen".

Das stimmt natürlich, wenn auch im konträren Sinne: Levit ist in seiner Generation nämlich einfach der Beste.