Japan lockt

Zwischentöne Welche Signale erwartet die Welt in diesen Zeiten aus Wien? In Internetforen feiern viele Kommentatoren die Philharmoniker als Helden, weil sie der Krise zum Trotz gerade in Japan gastieren.

Unsere Philharmoniker machen Schlagzeilen, weil sie der weltweiten Krise trotzen und unter enormen Sicherheitsvorkehrungen Musik machen. Nicht in Wien. Aber in Japan. Die Beziehungen des Orchesters zum Fernen Osten haben ja Tradition. Und das japanische Publikum ist diszipliniert genug, um statt laut Bravo zu rufen Transparente mit Liebeserklärungen in die Höhe zu halten.

Die beiderseitige Anerkennung und konsequente Umgehung aller viralen Risken sorgen für Lob in den Internet-Foren, in denen sich nicht zuletzt auch Menschen zu Wort melden, die Orchester-Tourneen in Zeiten wie diesen als eine Art konzertanten Widerstand gegen die allgemeinen Restriktionsmaßnahmen werten.

Das kommentiert sich selbst. Nicht ganz vergessen werden soll über den kolportierten philharmonischen Triumphen in Tokio aber vielleicht die Frage nach der künstlerischen Sinnhaftigkeit einer solchen Reise.

Früher einmal feierte man die Philharmoniker bei solchen Gelegenheiten als kulturelle Botschafter Österreichs. Das war in Zeiten, in denen zum Beispiel Karl Böhm mit ihnen Mozart, Beethoven und Schubert auf dem Tournee-Programm hatte.

Diesmal reisen die Musiker mit Valery Gergiev und spielen zwar eine Beethoven-Ouvertüre und eine Strauss-Tondichtung, im wesentlichen aber Tschaikowsky, Strawinsky und Prokofieff.

Wienerische Klänge bleiben da auf die Zugaben beschränkt. Nun wird niemand annehmen, dass man irgendwo in der Welt nicht froh darüber sein könnte, wenn ein solches Orchester einmal ein Virtuosenstück wie den "Feuervogel" zum besten gibt. Das gehört selbstverständlich dazu.

Aber ein quasi rein russisches Programm - noch dazu unter Valery Gergiev, der nicht gerade für skrupulöse Probenarbeit berühmt ist? Hierzulande hat er kaum je eine wirklich durchgestaltete Interpretation hören lassen. Bestenfalls entstanden routinierte Zufallsprodukte dank der Kombination aus der Professionalität des Orchesters und der eigenen Routine.

Auf einer Reise wächst man freilich zusammen. Also wird schon alles in bester Ordnung sein und niemand danach fragen, was denn die Philharmoniker im allerbesten Fall mit einem prägenden Interpreten am Dirigentenpult zu leisten imstande wären.

Ein Licht wirft das nur darauf, dass dem Orchester wieder einmal die Galionsfiguren abhanden gekommen zu sein scheinen. Dass zum Jubiläumsjahr eine Aufnahme der Beethoven-Symphonien unter einem Dirigenten wie Andris Nelsons entstanden ist, der nicht unbedingt tiefschürfende Beethoven-Erfahrungen in die gemeinsame Arbeit mit einbringen konnte, sagt ja auch allerhand.

Bleibt die Hoffnung, dass - apropos Kompetenz-Harmonisierung - der Bruckner-Zyklus unter Christian Thielemann fortgesetzt werden kann. Anfang Dezember sollte es weitergehen. Wie man allen Widerständigkeiten zum Trotz Musik macht, wird jetzt ja immerhin in Japan geübt . . .