Karfreitagszauber im Internet

"Parsifal" im Netz

Oper. Rechtzeitig zum Ausklang der Karwoche ist auch in Zeiten der Beschränkung auf Streamingdienste überall Wagners "Parsifal" präsent. Ein Wegweiser.

Der Irrnis und der Leiden Pfade führen Parsifal neuerdings im Internet herum. Auf der Staatsopern-Streamingplattform steht seit Gründonnerstag- abend die Aufzeichnung vom April 2015 online. Zu sehen ist die Inszenierung von Christine Mielitz unter Adam Fischers musikalischer Leitung mit Johan Botha in der Titelpartie, Angela Denoke als Kundry und Michael Volle als Amfortas.

Am Abend des Ostersonntags steht dann eine Aufzeichnung der Vorstellung von 2017 auf dem Streaming-Programm, aus der Premieren-Serie der aktuellen Inszenierung von Alvis Hermanis unter Semyon Bychkov mit Nina Stemme und Christopher Ventris, sowie Kwangchul Youn als Gurnemanz.

Der Grals-Mythos infrage gestellt

Interessant dabei, die beiden Regie-Arbeiten zu vergleichen. Hermanis' Ansatz, die Handlung in die Nervenheilanstalt zu verlegen, ging ja nur im ersten Akt wirklich spannungsgeladen auf. Danach blieb manches fragwürdig. Ähnlich schwächelnd im zweiten Aufzug war auch Mielitz' Produktion, die von der Personenführung her freilich eminente Stärken aufwies und auf eine bittere Schlusspointe zusteuerte, die den Grals-Mythos in seiner Gesamtheit infrage stellte.

Nun sind Regisseure heutzutage meist stolz darauf, Kunstwerken ihre übersinnlichen Symbolwerte auszutreiben. Die Streamingplattform "takt1" wirbt sogar damit, dass der Regisseur der Berliner Produktion von 2015, Dmitri Tcherniakov, "weitgehend auf christliche Weihesymbolik verzichtet, ohne aber das Mystische des Stoffs aus dem Auge zu verlieren". Wie das gehen soll, das können Wagner-Freunde am heutigen Karfreitag ab 11 Uhr sehen.

Tcherniakov, so die Ankündigung weiter, "erzählt von Partisanen und Vagabunden". Was Wagner erzählt, erfährt man vielleicht von Daniel Barenboim, der an diesem Abend die Berliner Staatskapelle dirigiert hat. Und von Andreas Schager, der am Beginn seiner Helden-Karriere hier dem reinen Toren seine Stimme lieh. Der Stream bleibt nur 24 Stunden lang verfügbar.

Ein paar Tipps für Musikfreunde, die ihren eigenen "Parsifal" ohne irritierende Bilder von CD oder Musikstreaming erleben möchten. Die klangschönste Gesamtaufnahme, in der vor allem die metaphysischen Dimensionen der Musik dank wunderbarer Ausdrucksdichte des Orchesterspiels anklingen, stammt aus Berlin: Herbert von Karajan hat sie in Vorbereitung seiner Osterfestspiele 1980 mit seinen Philharmonikern eingespielt; allerdings keineswegs mit einer einheitlichen, geschweige denn idealen Sängerbesetzung. Der gesanglich vollkommene "Parsifal" existiert vermutlich nicht. Doch finden sich hier und da atemberaubende Szenen, die man gehört haben sollte, wenn man sich in dieses Werk vertiefen möchte.

Natürlich gehört der Bayreuther Livemitschnitt von 1951 unter Hans Knappertsbusch zu den notwendigen Versatzstücken jeder gut bestückten Diskothek. Hier ist es nicht zuletzt die Kundry von Martha Mödl, die eine überwältigend vielschichtige Charakterisierung der "Höllenrose" bietet.

Die schönste Verführungsszene

Die Verführungsszene am schönsten gesungen hat zweifellos Christa Ludwig. In Georg Soltis Wiener Studioproduktion hört man sie an der Seite des für die jugendlich-naiven Momente der Partie perfekten Rene Kollo, dem es allerdings für den großen Ausbruch nach der Kuss-Szene an der nötigen Kraft gemangelt hat. Es ist halt doch eine Heldenpartie. Diesbezüglich muss man schon zu Interpreten wie Ramon Vinay zurückgehen, die miterleben lassen, wie der reine Tor Atemzug um Atemzug "welthellsichtig" wird.

Die langen Erzählungen des Gurnemanz im ersten Aufzug hat zu Vinays Zeiten übrigens Ludwig Weber (ebenfalls bei Knappertsbusch 1951 zu hören) unvergleichlich differenziert und anrührend gestaltet.

Was den Amfortas und seine Leidenstöne betrifft, hat George London - unter anderem auf der zweiten offiziellen Knappertsbusch-Aufnahme aus Bayreuth - Maßstäbe gesetzt. Und doch darf man nicht auf unseren Eberhard Waechter vergessen. Er lieferte in Bayreuth anno 1959 einen wohl einzigartigen Beweis, mit wie viel verzweifeltem Ausdruck ein Bariton veritablen Schöngesang anreichern kann. Wenn er kann.

Und die Blumenmädchen? Sie hat das Wiener Staatsopernorchester unter Christian Thielemanns Leitung beim Livemitschnitt mit dem blendend disponierten und in diesem Fall auch disziplinierten Placido Domingo auf unvergleichlich erotisierende Weise mit impressionistisch farbenreichen Klängen umwebt. Auf CD seit Langem eine der empfehlenswerten Gesamtaufnahmen.