Konzerthaus

Zum Saisonschluss wird noch ordentlich getrommelt

Die Ära Kerres im Wiener Konzerthaus endet nicht mit einem, sondern mit vielen Paukenschlägen: Orffs ,,Carmina Burana" kehren wieder.

Eben haben wir den ,Sacre' abgefeiert, jetzt kommt das ,Frühlingsopfer für arme Leut'", würden Avantgardisten wohl zynisch sagen: Man wagt sich wieder einmal an Carl Orffs ,,Carmina Burana". Das ist vielleicht ungefähr so, als würde man im symphonischen Bereich mit Bedacht ein Programm aus Mozarts ,,Kleiner Nachtmusik", Beethovens Fünfter und Mahlers aus dem V erband des Gesamtwerks herausgelöstem ,,Adagietto" zusammenstellen. Pfui, rufen die Connaisseurs, aber das Publikum freut sich, das, was es via CD zu Hause am liebsten konsumiert, endlich auch live erleben zu dürfen.

Also? Die ,,Carmina Burana" sind Carl Orffs gelungener Versuch, die Effekte von Strawinskys stampfenden Rhythmen auf simpelste Weise für den aller Modernität gegenüber notorisch skeptischen Normalverbraucher nutzbar zu machen. Dergleichen steht, zumal wenn es in Deutschland Ende der Dreißigerjahre passiert ist, heute prinzipiell unter Faschismusverdacht.

Aber man muss sich in diesem Fall mit derlei Abwehrprogrammen nicht lange aufhalten, denn allen Unkenrufen zum Trotz erfreut sich die Kantate bis heute äußerster Popularität. Das liegt daran, daß sie ganz einfach unglaublich gut gemacht ist.

Und wenn man zum 100-Jahr-Jubiläum des Konzerthauses auch noch Wilhelm Killmayers ,,reduzierte" Version ankündigt, in der das Symphonieorchester durch eine riesige Schlagzeugbatterie ersetzt wird, dann sind die Zuschauermassen nicht zu bremsen. Immerhin gibt es Gelegenheit, nicht nur den österreichischen Schlagzeug-Guru Martin Grubinger, sondern auch dessen ebenfalls perkussiv tätigen Vater, Martin Grubinger senior, zu erleben. Die Wiener Singakademie, der Hauschor des Konzerthauses, freut sich natürlich auf diese von Chorsängern wie Solisten stets besonders geliebte Aufgabe.

Und zur Beruhigung des schlechten Gewissens bietet man vor der Pause überdies Zeitgenössisches. Aber auch da schmunzelt der Kenner: Hat doch Wolfgang Rihm mit seinem Tanzstück ,,Tutuguri" Anfang der Achtzigerjahre effektvoll die Postmoderne eingeleitet, ja regelrecht herbeigetrommelt.
Es war dieses Werk, das den Namen des Komponisten quasi über Nacht mit einem Paukenschlag – oder, sagen wir's richtig: mit tausend Paukenschlägen – bekannt gemacht hat. Und das die selbstverliebten Avantgardisten in ihren geschützten Werkstätten plötzlich alt aussehen ließ. Orff konnte man als Unzeitgemäßen ja noch ins Winkerl verweisen. Der Zeitgenossen Rihm aber, der sich ebenso wenig um Doktrinen und adornitische Maßregeln schert, schickte sich an, unbequem im Weg zu stehen.

Da steht er noch immer. Es hat Methode, daß ,,Tutuguri" und ,,Carmina Burana" die Saison im Jubiläumsjahr des Konzerthauses ausläuten . . .