Geburtstag. Kurt Schwertsik, Ensemblegründer, Komponist, Musiker und gesuchter Lehrer, feiert heute seinen 85er.
Die Zeiten haben sich zwar gebessert, aber es ist, ehrlich gesagt, immer noch nicht so, dass der Rezensent voller Vorfreude einen Konzertsaal oder ein Opernhaus betritt, wenn eine Uraufführung angesetzt ist. Kurt Schwertsik ist einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten, bei denen das ein bisschen anders ist.
Bei mir, um es ganz persönlich zu sagen, kam das so: Anfang der Neunzigerjahre tauchte im Rahmen des Kraut-und-Rüben-Avantgardefestivals "Wien modern" unter etlichen Novitäten eine von Schwertsik auf. Sie nannte sich "Baumgesänge" und überfiel mich, dem, frei nach Goethe, der Sinn wirklich nach "nichts zu suchen" stand, wie ein kühlender Sommerregen nach einer extremen Hitzeperiode.
Ausgerechnet zwischen den unkontrollierten, einmal weniger, dann mäßig, meist aber gar nicht anregenden, aber hochsubventionierten Elaboraten des künstlerischen Zeitgeistes hatte da einer plötzlich Lust an schönen Klängen, an dramatischen Entwicklungen derselben, und das Orchester reagierte mit entsprechend freudiger Begeisterung. Die wirkte ansteckend.
Was heißt schon Minimalismus?
Wahrscheinlich hätte eine ästhetische Diskussion über der Partitur dieser "Baumgesänge" bei mir zunächst zu instinktiven Abwehrreaktionen geführt: Das sieht doch sehr nach Minimal Music aus, was Kurt Schwertsik da aufgeschrieben hat. Deren fortwährende Dreiklangszerlegungen empfand ich allerdings noch nie als adäquate Antwort auf mein eingangs geschildertes Problem. Die klingende Realität aber verriet: Da hat einer nicht nur die Kunstmittel seiner minimalistischen Kollegen genau studiert, sondern auch die - in Wahrheit nicht viel kompolizierteren, nur viel weniger wohltönenden - der Parteigänger des immerwährenden Fortschritts.
Schwertsik ist ja durch das Fegefeuer der sogenannten seriellen Musik hindurchgegangen, die nach 1945 als allein seligmachender Weg in die Zukunft galt. Dass das Ensemble, das er mit Friedrich Cerha Ende der Fünfzigerjahre zur Pflege der zeitgenössischen Musik gründete, "die reihe" hieß, klang nicht zufällig nach zwölf Tönen.
Die ließ er bald ganz in Schönbergs Sinn "nur aufeinander bezogen" sein und freute sich nicht nur hörend an der Popmusik seiner Generation. Er verstand es - im Sinne der von ihm verehrten Meister der freizügigen französischen Moderne und des amerikanischen Vorbilds John Cage -, das ganze, breite Angebot, das ihm E- und U-Musik machten, für sich nutzbar zu machen, schrieb bald für Oper und Konzertsaal in unverblümt auch Dur und Moll einbeziehender Freizügigkeit (und wie er es seinem Freund Nali Gruber geraten hatte) die Musik, die er selber hören wollte.
Und die hört unsereiner jetzt auch gern. Weil zwischen allem, was da stilistisch gerade erlaubt oder nicht erlaubt, geduldet oder willig angenommen sein mochte, immer der Kurt Schwertsik hindurch lugt, oder schelmisch zwinkert, je nachdem. Denn er verliert ja seinen Humor nie, selbst wenn er, was er zwischendurch immer gern gemacht hat, politische Botschaften serviert.
In aller Regel bleibt am Ende doch der Spaß am Musizieren, am Singen, am Sprechen und allem, was zwischen diesen Ausdrucksformen noch als hybride Mitteilungsform möglich ist. Das hat Schwertsik alles mit seiner Frau Christa und oft auch mit den Stieftöchtern Julia und Katharina Stemberger ausprobiert - zu meist frechen, immer poetischen Texten von artverwandten literarischen Freigeistern wie Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Nie klang es wie Marke Soundso, immer hörte man Schwertsik, sogar im minimalistischsten Umfeld . . .