Lore Krainer

Die perfekte Guglhupf-Bäckerin

Nachruf. Kabarett-Legende und Nestroy-Preisträgerin Lore Krainer ist Freitagfrüh im 90. Lebensjahr in Oberwaltersdorf gestorben. Sie beherrschte den Sprachwitz nach Noten.

Zunächst einmal war sie eine singende Wirtin. Die geborene Steirerin betrieb mit ihrem Mann, einem Buffo-Tenor, den Grazer Girardi-Keller und trug dort ihre ersten kritischen Lieder vor. Und zwar so, dass Kabarett-Urgestein Gerhard Bronner an ihr nicht vorbeigehen konnte. Er wusste, was es heißt, gute Texte musikalisch griffig zu unterlegen, also wusste er auch, dass er mit Lore Krainer den dramaturgischen Motor seiner Sonntagmorgensendung "Guglhupf" gefunden hatte, eine der längstdauernden Sendereihen des ORF-Hörfunks.

Die Assoziation mit Österreichers liebstem Frühstücksgebäck bewies schon, dass man in diesem Format zwar vielleicht zeitkritisch, aber niemals mit Schaum vor dem Mund zu agieren gedachte. Man nahm die Dinge des politischen und gesellschaftlichen Lebens geradezu liebevoll aufs Korn.

Vor allem gab es immer wieder Spitzen gegen die (wohl nicht nur, aber auch) hierzulande so beliebten Abmachungen hinter den Kulissen. Dass man sich sprichwörtlich etwas ausschnapsen könnte, war im "Guglhupf" schon deshalb verpönt, weil die Runde nicht diesem Kartenspiel frönte, sondern vielmehr leidenschaftlich tarockierte.

Schottland-Tief und andere Austriaka

Das war ein Unterschied, dessen Tragweite schon Fritz von Herzmanovsky-Orlando erkannt hatte: Wer verstehen lernen will, was dieses unmögliche Österreich im Innersten zusammenhält, muss zuerst zumindest in die Anfangsgründe der geheimnisumwitterten Regeln des "Königrufens" eingeweiht werden.

Unvergesslich ist mir Krainers verächtliche Reaktion auf die Erwähnung eines Wiener Kulturpolitikers, die ich einst als zufällig am Nebentisch der Kartenrunde sitzender Kaffeehausbesucher belauschen durfte: "Der kann net Tarockieren!" Dieserart als nicht satisfaktionsfähig erkannt, war der Name des Delinquenten denn auch im nächsten Guglhupf nicht einmal der Erwähnung wert.

Das Pointensetzen beherrschte Lore Krainer perfekt. Und das hat wohl mit ihrer Musikalität zu tun. Sie war ausgebildete Pianistin und schrieb nicht nur die Texte, sondern auch die Musik ihrer Lieder selbst. En passant hat sie mir einmal auch ein Geheimnis zugeraunt, das sie für die wichtigste Regel einer effektiven Kabarettnummer hielt: Die Musik musste immer zuerst da sein, der Text wurde einer fertigen Melodie unterlegt. Wenn er perfekt passte, dann durfte man sicher sein: Die Botschaft wird ankommen.

"Über Schottland liegt ein Tief. Und das liegt ein bisserl schief", haben wir uns als Hymne an die Unwägbarkeiten des Wetterberichts alle gemerkt. Dass uns die "Zeit im Bild" am Vorabend von Lore Krainers Todestag ausführlich über die katastrophalen Hitzewellen berichtete, die uns die Klimakrise beschert, während fünf Minuten später die Kollegin von der Wetterredaktion verkündete, es werde kühl, regnerisch und der Sommer ließe noch länger auf sich warten, kann kein Zufall gewesen sein. Es war höhere Fügung, hatte also allerhand mit dem schief liegenden Tief über Schottland zu tun.