Lynn Harrell & Martin Lovett

Zwischentöne Cellisten, prägend für die jüngere Interpretationsgeschichte

Vergangene Woche verlor die Musikwelt Lynn Harrell und Martin Lovett, zwei Meister der profundesten Töne.

Zwei Meistercellisten sind Ende der vergangenen Woche von uns gegangen. Der eine, Lynn Harrell (Jahrgang 1944), war für die USA so etwas wie die amerikanische Antwort auf Mstislaw Rostropowitsch. Nicht von ungefähr war er ausersehen, 2005 zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs das Zweite Schostakowitsch-Konzert in Moskau zu spielen; immerhin markierte das Datum ja nicht nur das Kriegsende, sondern auch den Beginn des Kalten Kriegs; und etwas von Angst und Verzweiflung schwang dann auch im Spiel Harrells mit.

Oft haben die Kritiker seinen singenden, samtig-dunklen Ton gelobt, Und man sollte hinzufügen, dass es stets eine instrumentale, auf akkurate Rhythmik bedachte Gesanglichkeit war, die er pflegte. Die künstlerische Offenheit nicht zu vergessen, die der Sohn des Met-Baritons Mack Harrell an den Tag legte, der nebst Verdi und Wagner in New York auch in Dimitri Mitropoulos' bahnbrechender Aufnahme von Bergs "Wozzeck" die Titelpartie sang.

Haben wir mit Lynn Harrell einen charismatischen Solisten verloren, der sein Leben lang mit Freude (und bedeutenden Partnern) Kammermusik gemacht hat, ging mit Martin Lovett einer der Siegelbewahrer der großen europäischen Streichquartettkultur von uns.

Lovett war der einzige Nicht-Wiener im legendären Amadeus-Quartett, das im Internierungslager für "Enemy Aliens" im englischen Exil zueinander gefunden hatte: Vierzig Jahre lang konnte sich das Spiel von Norbert Brainin, Siegmund Nissel und Peter Schidlof über dem profunden Cellofundament Lovetts frei und partnerschaftlich entfalten.

Seit ihrem Debüt in der Londoner Wigmore Hall, 1948, feierte die Welt die Symbiose dieser vier Musiker, die - wiewohl aufgrund der Grausamkeiten der Zeitläufte in London basiert - die Feinsinnigkeit und Geschmeidigkeit der von Ignaz Schuppanzighs Zeiten ererbten wienerischen Spielkultur auf professionellstem Niveau hochhielten wie kein zweites Ensemble.

Für die Jüngeren war das "Amadeus Quartett" der Leitstern. Valentin Erben, Cellist des später ebenso legendären Alban-Berg-Quartetts, erinnert sich an die eigene Aufbauphase und die Begegnung mit Lovett: "Wir spielten ihm ein Haydn-Quartett vor. Beim Menuett nahm er mir das Cello aus der Hand, wortlos, und spielte mit den anderen ein paar Takte - und ich verstand mit einem Mal die Rolle des Cellos als Spiritus tempi."

Martin Lovett, der letzte der vier "Amadeus"-Musikanten, starb am 29. April im 94. Lebensjahr.