Margarita Gritskova und die russische Liedkunst

Gewiß, die allerletzte Nummer der CD gehört zu den himmelhoch jauchzenden Gesängen der Spätromantik: die Stimme wölbt sich jauchzend bis zum hohen B, den kommenden Frühling zu besingen. Im übrigen fischt Margarita Gritskova nicht allzu viel in Sopranregionen, sondern darf die dunkel leuchtenden Qualitäten ihres Mezzos nach Herzenslust auskosten. Die junge Russin, beliebtes Mitglied des Wiener Staatsopern-Ensembles und dort demnächst an der Seite von Juan Diego Flórez die Rosina im „Barbier von Sevilla“, hat mit Maria Prinz eine Reihe von Liedern aufgenommen, die mehrheitlich nicht den nahenden Lenz besingen.
Vielmehr tönt hier die russische Seele in allen Farben der Schwermut und Melancholie, aber sie tut es nach Klängen von Tschaikowsky, Rachmaninow (von ihm stammen die besagten „Frühlingsquellen“) und Rimskij-Korsakow. Also wird die traurige Seelenbespiegelung eine gute Stunde lang niemals eintönig, sondern bezaubert in aller Farbenpracht, derer eine satte, frische Stimme fähig ist. Faszinierend auch, die erheblichen Charakterunterschiede zwischen den drei Komponisten zu studieren; die Melodik Tschaikowskys und Rachmaninows, die „Handschriften“, wenn man so will, lassen sich doch recht eindeutig auseinanderhalten – und Rimskij-Korsakow bringt noch einmal einen weniger artifiziell raffinierten, deutlicher vom „Volkston“ inspirierten Tonfall ins Spiel, dem Gritskova und ihre sensible Pianistin mit entsprechend inniger Zurückhaltung begegnen. Dass Maria Prinz auch vor den Klangkaskaden des Meisterpianisten Rachmaninow keine Angst hat, wertet diese Neuerscheinung zusätzlich auf.