Michael Schade, solo

Ein singender Sunnyboy für nur hundert Heroen

Staatsoper. Michael Schade und Jendrik Springer erteilten im Konzert-Finale der Saison eine Lektion in Liedgesang.

Michael Schade pflegt sein Sunnyboy-Image: Wenn er auf die Bühne kommt, kokettiert er jovial mit seinem Publikum, wenn er singt, dirigiert er ein wenig mit - und hebt die Augenbrauen, wenn es im Text doppelbödig zugeht. Seine Selbstinszenierung könnte manchen im Auditorium davon ablenken, dass hier ein höchst ernsthafter Interpret am Werk ist, der längst vom Opernstar, der auch Lieder singt, zum bedeutenden Exegeten der nur nach außen hin "kleineren" Form geworden ist.

Nichts Geringeres als Beethovens "An die ferne Geliebte" stellten Schade und sein Klavierpartner Jendrik Springer an den Beginn ihres Abends im virusbedingt konzertanten Staatsopern-Ersatzprogramm zum Saisonausklang. Da sollte man schon in den ersten Takten genauer zuhören. Denn Schade betont stärker denn je die Bedeutung des Textes und seiner Führungsrolle, prüft jede Phrase, jedes einzelne Wort auf den Sinngehalt. Dass es bei aller Detailgenauigkeit dann dennoch Melodien sind, die da erklingen, erweist die große Gestaltungskunst.

Selbst die oft überhastete Attitüde in den aufgeregten Momenten am Endes des ersten Liedes und am Schluss der Reihe fällt nicht aus dem liedhaften Rahmen, obwohl sie - dem Genius Loci gehorchend? - in theatralische Accelerandi münden, die auch die Fertigkeit des Pianisten bis an die Grenzen fordern. Ganz intim agierten Schade und Springer dann bei Schubert - oft bis zum Flüsterton zurückgenommene Piani schufen die rechte Atmosphäre für kecke Liebesbotschaften; oder für die gar schröckliche Geschichte vom armen "Fischer", den die Wassernixe in den Tod holt - alles nicht so wild, er stirbt mit Lust, sagt uns Michael Schade vokal wie gestisch: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin" - weg war er. So kommt's.

Ist ja vielleicht alles nur ein Spiel. Das ist das Schön-Gefährliche an biedermeierlichen Visionen und poetischen Bildern. Auch beim Gesprudel, das im Bächlein herrscht, kommt ja zunächst niemand auf die Idee, dass die launische Forelle bald am Angelhaken hängen würde. Ein bisschen darf dann auch noch der Gedanke an ein schmackhaftes Fischmenü mitschwingen.

Hausmusik und Wienerlied

Seine "100 Heroen", wie er das regelbedingt spärliche Publikum moderierend nannte, hatte der Tenor da längst auf den Hausmusik-Ton eingestimmt. Ganz ohne direkte Bezüge zu den Anwesenden wird es ja auch bei den wienerischen Schubertiaden einstens nicht abgegangen sein. Das konnte - und kann - lehrreich sein: Wer weiß schon, dass sich Schubert, seinem großen Vorbild Beethoven zum Trotz, auch an eine Vertonung von Matthisons "Adelaide" gewagt hat?

Nach einem Richard-Strauss-Block hätte sich Schade nicht entschuldigen müssen, dass er und Jendrik Springer, "zwei Deutsche", sich an "Mei Muatterl war a Weanerin" wagten - beide gehören ja längst hierher. Der Tenor durfte sogar anmerken, dass er manche Kollegin in seiner langen Staatsopern-Karriere daran erinnert hat, wie wichtig das Wort nicht nur im Liedgesang ist.

Den Beweis hat er mit seinem jüngsten Auftritt geliefert - bis zum Ende, mit Lehar und Richard Strauss' gehauchter Versicherung, auch morgen würde "die Sonne wieder scheinen".