Neu auf CD. Christoph Koncz, Vorgeiger der philharmonischen Sekundgeiger, durfte mit einem der bedeutendsten Erbstücke der Salzburger Sammlungen sämtliche Violinkonzerte des Meisters mit den Musiciens du Louvre aufnehmen.
Ich spiellte als wenn ich der gröste geiger in Ganz Europa wäre", berichtete Wolfgang Amade Mozart seinem Vater aus Augsburg im Jahre 1777. Er hatte am Vorabend nach dem Souper sein Violinkonzert in G-Dur musiziert, "es gieng wie öhl. alles lobte den schönen, reinen Ton", fuhr er fort. Wie gern wüsste man, wie dieser "schöne, reine Ton" tatsächlich geklungen hat. Immerhin: Mit der Veröffentlichung der neuen Gesamtaufnahme der Mozart'schen Violinkonzerte sind wir einen Schritt näher bei der Wahrheit: Erstmals hat ein Solist die fünf Werke auf Mozarts eigener Violine aufgenommen - auf genau jener, die der Komponist während seiner Amtszeit als fürsterzbischöflicher Konzertmeister in Salzburg gespielt hat.
Christoph Koncz, Vorgeiger der Zweiten Geigen der Wiener Philharmoniker, war der Glückliche, dem diese Ehre zufiel. Und er hat sich gründlich auf das Unternehmen vorbereitet. "Interessiert an der historischen Aufführungspraxis war ich immer schon", erzählt der 33-jährige Musiker, der seine Position im philharmonischen Orchester seit seinem 21. Lebensjahr innehat. Seit der Erstbegegnung mit Mozarts Violine arbeitete er freilich fanatisch an Spieltechnik und theoretischer Grundlage.
"Als ich das erste Mal Gelegenheit hatte, im Tresorraum des Mozart-Geburtshauses dieses Instrument zu spielen, habe ich sofort alle fünf Konzerte durchgespielt." Sehr zum Erstaunen der dort nebenan arbeitenden Damen des Mozart-Museums. Mittlerweile ist Koncz mit Sicherheit jener Musiker, der seit Mozarts Zeiten diese Geige am öftesten in Händen gehalten hat. "So intensiv wie ich hat seit Mozarts Tod wahrscheinlich niemand mehr auf diesem Instrument geübt."
Ein silbrig schöner Geigenton
Was für ein Aufnahmeprojekt wie dieses schon deshalb eine Grundvoraussetzung ist, weil auch eine Violine "Übung" braucht, weil sie sozusagen wieder aus dem Tiefschlaf geweckt werden muss.
"Ich habe mir sofort einen Barockbogen besorgt", sagt Koncz, und registrierte begeistert, "dass vor allem die A- und E-Saite einen silbrigen Klang entwickelten, der einen schönen Cantabile-Ton ermöglicht. Genau diesen Ton fordert Mozart in seinen Konzerten. Ich bin mir sicher, dass Mozart vom Klang dieses Instruments zu den langsamen Sätzen seiner Konzerte inspiriert wurde."
Wobei Koncz sich selbstverständlich genau mit der heiß diskutierten Frage beschäftigt, ob und wie intensiv in Mozarts Tagen mit Vibrato gespielt wurde.
"Leopold Mozarts Violinschule ist natürlich die wichtigste Quelle", sagt er. "Sie enthält ein ganzes Kapitel über das Vibrato. Wenn er verlangt, man möge nicht zu exzessiv vibrieren, dann heißt das wohl nicht, dass er das Vibratospiel unterbinden möchte." Das sei stets eine Frage des Geschmacks, die niemals "ideologisch" beantwortet werden könne.
Die Musiciens du Louvre, die Koncz als Orchester gewählt hat, sind ja eine eingeschworene Originalklang-Gemeinde und gehen auf die differenzierten Wünsche des Geigers und Dirigenten sensibel ein.
Wobei Koncz auch in Sachen Orchestergröße die Quellen studiert hat. Fündig wurde er unter anderem beim Salzburger Musikologen Ernst Hintermaier: "Er hat eine Dissertation über die Salzburger Hofkapelle in den Jahren 1700 bis 1806 geschrieben, die zwar nicht gedruckt worden ist, aber das gebundene Original liegt in der Stiftung Mozarteum. Und da erfährt man, in welcher Besetzung die Musiker des Fürsterzbischofs von Jahr zu Jahr gespielt haben."
Entsprechend besetzt waren die "Musiciens" nun bei der Aufnahme - und die Klangwirkungen sind oft bemerkenswert: Die farbliche Abstimmung von Flöten, Hörnern und den gedämpften Streichern im Mittelsatz des G-Dur-Konzerts ist von bezauberndem Effekt. Und die Tempi wählt Koncz ganz ohne Anbiederung an irgendwelche musikpolitischen Korrektheitsgebote mit dem Instinkt des Praktikers: Ein Adagio ist ein Adagio, kein etwas gebremstes Allegretto - und doch, bleiben wir bei unserem Beispiel aus dem KV 216, sorgen Sekundgeigen und Bratschen mit ihren Sechzehntel-Triolen für einen vorwärtstreibenden Puls, über dem sich die Melodie, beredt modelliert, in einem großen Atemzug entfalten kann. Schon der Musikforscher Alfred Einstein meinte von diesem Konzertsatz, er klinge "wie vom Himmel gefallen".
Tonschönheit und Theatereffekt
Es geht zwischendurch aber auch ganz irdisch zu, nicht nur, aber vor allem im "türkischen" Allegro-Teil des Finales des A-Dur-Konzerts KV 219, bei dem in den chromatischen Gängen Mozarts Leidenschaft für das Theater hereinbrechen, dessen Menuett-Teile Koncz und die "Musiciens" hingegen geradezu ätherisch-zart zum Klingen bringen.
Solche Kontrastwirkungen kosten die Interpreten aus, ohne je zu übertreiben - wie auch Koncz' Kadenzen Geschmack verraten, und die Liebe zum Klang, inspiriert von jenem besonderen Instrument, um das es hier einzig geht.
(Sony classical)