Operette

„Opernball"-Operette: So schmeichelweich wie subtil

Sommerarena Baden. Eine der brillantesten Operetten stammt vom ehemaligen ,,Presse"-Musikkritiker Richard Heuberger: ,,Der Opernball" war wohl zu virtuos für den Repertoirebetrieb, blieb aber durch die Verfilmungen mit Hans Moser bekannt. Ab 12. Juli ist der Spaß in Baden zu erleben.

„Opernball": Ganz abgesehen von der jährlichen TV-Show gleichen Namens – einen Opernball kannte man lange vor der Zeit, als im Wiener Operngebäude am Ring ein solcher veranstaltet wurde. Bälle im Opernhaus, die gab es in Paris. Darauf bezieht sich eine der brillantesten Operetten, die je geschrieben wurden. Sie stammt aus der Feder eines Mannes, der zur Geschichte dieser Zeitung einige gewichtige Beiträge besteuerte: Richard Heuberger. Der Grazer war einst der Nachfolger des gestrengen Eduard Hanslick als Musikreferent der ,,Neuen Freien Presse". Das ist ob der Tatsache, daß er einer der führenden Komponisten des Operetten-Genres war, lang vergessen. Kritiken schrieb Heuberger erst im ,,Tagblatt".

Da galt er bereits als scharfzüngiger, stets bestens präparierter Rezensent, der nach der technischen Ausbildung zur Musik wechselte, als Kapellmeister in Wien den Akademischen Gesangverein und die Singakademie leitete und sich sogar aufs Komponieren verstand, der also sein Handwerk wirklich beherrschte. Sein ,,Opernball" hatte 1898 im Theater an der Wien Premiere und war ein sensationeller Erfolg. Obwohl oder vielleicht gerade weil da ein Reformator am Werk war, einer, der bewusst zur Qualitätssicherung einer Gattung beitragen wollte, die drauf und dran war, sich im Kitsch zu verlieren.

Zwischen Offenbach und Richard Wagner

„Der Opernball" sollte nach dem Willen seines Schöpfers an die frühe Zeit der musiktheatralischen Unterhaltungslust anknüpfen, an die spritzig-bösartigen, frisch-frechen Operetten Pariser Provenienz. Allvater Offenbach schaute dem wienerischen Nachfahren über die Schulter: Schluss mit der Simplifizierung, raffinierte dramaturgische Staffelung der Handlung, ebenso raffinierte Architektonik der Musik. Schließlich lebte man im Zeitalter nach ,,Tristan und Isolde", da sollte man sich auch in der sogenannten leichten Muse nicht aller Chancen begeben, auf der Höhe der Zeit zu stehen.

So wurde ,,Der Opernball" zum tönenden Manifest der künstlerischen Überzeugungen, die Heuberger als Feuilletonist wortgewaltig darzustellen wusste. Bei allem komödiantischen Boulevardklamauk, den das Verwechslungsspiel notwendigerweise mit sich bringt, herrscht in Heubergers Partitur feinsinnige Differenzierungskunst. Kaum eine Operette ist so subtil instrumentiert wie diese. Melodien wie ,,Komm mit mir ins Chambre séparée" singen sich nicht nur schmeichelweich, sondern werden auch von einem farbenprächtig aufgefächerten, vielfach changierenden Orchesterklang getragen, der sich mühelos mit den allerbesten koloristischen Trouvaillen der ,,Hochkultur" jener Ära messen kann, mit Schönbergs ,,Gurreliedern" oder den berüchtigten orchestralen Hexereien eines Richard Strauss.

Sogar Wagners Leitmotivtechnik setzt Heuberger ein, freilich in einer Form, die auch Unterhaltungstheaterbesucher nicht überfordert, sondern eher die Freude am Wiedererkennen für dramaturgische Zwecke nutzt. Diese Gratwanderung zwischen elaborierter Satzkunst und perfekt getimtem Unterhaltungstheater macht den ,,Opernball" zum idealen Spiegel der Fin-de-Siècle-Ästhetik. Das wussten hochmögende Interpreten zu schätzen: Clemens Krauss holte Heubergers Stück Anfang der 1930er sogar an die Staatsoper, ließ bedeutende Opernstars wie Lotte Lehmann und Leo Slezak ihr komisches Talent ausspielen, während er selbst am philharmonischen Dirigentenpult für virtuose Klangregie sorgte. (Die Partitur zum ersten Akt hat, wie der Wiener Musikwissenschaftler Peter Grunsky nachgewiesen hat, Alexander von Zemlinsky hergestellt, Akt II und III wurden vom Komponisten selbst instrumentiert.) Wenig später kam die erste Verfilmung, ein komödiantisches Vergnügen mit Hans Moser als legendärer Opernball-Oberkellner – nach dem Zweiten Weltkrieg folgte ein ebenso erfolgreiches Remake, großteils neu besetzt, aber erneut mit Moser in seiner Paraderolle.
Wenigstens der Film hat einen Großteil der deutschsprachigen Menschheit mit der Musik Heubergers konfrontiert. Die Opernhäuser wagen sich nur höchst selten an das Werk, allzu heikel ist schon die Ouvertüre, ein brillantes Virtuosenstück, das diffizile Probenarbeit voraussetzt. Auch die Schwierigkeit der Gesangspartien entzieht diesen ,,Opernball" dem Repertoirebetrieb. Für ein Festival freilich sollte sich der Spaß lohnen. Badens Sommerarena macht heuer – Premiere: 12. Juli – die Probe aufs Exempel.