Opernliebe in Zeiten des Virus

Klassik-Streaming. Freie Gruppen tun es längst, die großen Musen-Tempel ziehen nun mit kostenlosen Angeboten nach.

Geschlossen, heißt es auf den Programmen der großen Hochkultur-Tempel; und das beinahe weltweit. Die meisten der wichtigen internationalen Konzert- und Opernhäuser mussten wegen der Corona-Krise ihre Pforten schließen. Das heißt aber nicht, dass sie untätig sind. Jene, die den Spielbetrieb wirklich komplett einstellen mussten, kramen in ihren Archiven und holen Aufzeichnungen von Vorstellungen der vergangenen Spielzeiten hervor, um sie kostenlos im Internet zu zeigen.

Die Berliner Philharmoniker, die über das reichhaltigste, für Abonnenten ständig zugängliche Archiv an Musik-Videos verfügen, machen ihre "Digital Concert Hall" für einige Wochen frei zugänglich. Bis 19. April stehen allen Interessenten die zahllosen Video-Aufzeichnungen des Archivs, in dem so gut wie sämtliche Konzertprogramme der jüngst vergangenen Spielzeiten und manch bedeutende historische Videoproduktion des Orchesters gesammelt sind, kostenlos zur Verfügung.

Zaungäste können da gleich auch die neuesten Neuigkeiten von den Berliner Philharmonikern erfahren, ob kühn programmierte Konzerte mit dem Chefdirigenten Kirill Petrenko oder spannende Husarenritte junger Maestri . . .

Die Bayerische Staatsoper streamt kostenlos Aufführungen, die ohne Publikum im Nationaltheater stattfinden. Das Haus, könnte man ironisch anmerken, hat Erfahrung mit solchen Unternehmungen. Die Vorstellungen von Wagner-Opern, die man einst exklusiv für König Ludwig II. gab, sind sagenumwoben. Nun kann die Welt zuschauen und -hören, während das Auditorium leer bleibt.

In Wien lässt man sich nicht lumpen. Die "Fidelio"-Neuinszenierung, die dieser Tage an der Wien herauskommen sollte, wurde zum TV- und Internet-Alleingang. Inzwischen haben sich etliche Musiker in ihrem "Hausarrest" überlegt, wie sie die technischen Möglichkeiten des Internet-Zeitalters nutzen könnten, um das Genre Kammermusik neu zu definieren.

Joyce DiDonato streamte über ihren Facebook-Channel am Sonntag "Carmen" mit Piotr Beczala aus ihrem Wohnzimmer. Morgen, Mittwoch, streamt der Geiger Yury Revich von daheim Werke von Bach über Paganini bis Piazzolla. Im Anschluss an das Konzert dürfen alle Interessierten an einer virtuellen Fragestunde teilnehmen und mit dem Musiker plaudern. Übertragen wird das Konzert ab 18 Uhr auf Revichs Kanälen bei Instagram und Facebook.

Eine Chance bietet die Krise auch freien Gruppen, die ihre Produktionen längst zur freien Begutachtung ins Netz gestellt haben, ohne viel Werbung dafür machen zu können. So wies Peter Wagner gestern via Mail darauf hin, dass seine mit Erling Wold 2018 in Klagenfurt produzierte Oper "Rattensturm" unter vimeo.com/295004685 jederzeit abrufbereit ist: Eine Möglichkeit, ins zeitgenössische Musiktheaterschaffen einzudringen, das jenseits des Mainstreams seine Blüten treibt.