Petrenkos Einstand

Bahnbrechende Erstaufnahmen Berliner Philharmoniker. Bilanz des ersten Chefdirigentenjahres: Beethoven und auch Stephan und Schmidt.

Neue Chefdirigenten großer Symphonieorchester sorgen in der Regel dafür, dass so rasch wie möglich Beethoven- oder Brahms-Aufnahmen, oder noch besser Berlioz' "Symphonie fantastique", in den Handel kommen. Es wäre aber erstaunlich gewesen, hätte Kirill Petrenko ähnlich gehandelt. Eben ist die erste Box mit CDs und DVDs erschienen, die seine Arbeit mit den Berliner Philharmonikern dokumentiert.

Und da fehlt Beethoven nicht: Die Siebente und die Neunte hat Petrenko in der vergangenen Saison dirigiert und aufgenommen. Auch Tschaikowskys Fünfte und Sechste sind dabei - seit Karajans Ära fixe Größen im Repertoire des Orchesters.

Dann aber staunt der Musikfreund, denn es finden sich Werke von Rudi Stephan und Franz Schmidt in der Sammlung - und das ist doch reichlich ungewöhnlich. Von der ersten Begegnung mit seinem Orchester an hat Petrenko Werke in seine Programme aufgenommen, die auch hartgesottenen Abonnenten unbekannt waren.

Edward Elgars Zweite war darunter, und eben Orchestermusik des 1917 in jugendlichem Alter vor Tarnopol gefallenen Rudi Stephan, der zu einem der führenden Komponisten Deutschlands geworden wäre, wenn nicht . . .

Und Franz Schmidts Vierte Symphonie (ebenso erstmals auf Video!) gehört zu den letzten großen romantischen Symphonien der Musikgeschichte, die im Repertoire verankert sein müssten, ist aber angesichts einer posthumen "Nazifizierungs"-Kampagne, die gegen diesen Komponisten geführt wurde, von den Spielplänen verschwunden.

Ehrenrettung zweier Genies

Nun muss man gewiss niemanden von der Qualität Beethoven'scher Symphonien oder der Dramatik der Werke Tschaikowskys überzeugen - allein, wenn ein Meister wie Petrenko am Werk ist, dann mobilisieren die Berliner Philharmoniker nicht nur ihr altbekannt reiches Klangpotenzial, sondern spielen auch wieder mit einer zuletzt kaum gekannten rhythmischen und dynamischen Differenzierung auf, dass niemand die neuen Aufnahmen wird missen wollen.

Wie gut, wie bewegend aber die Musik von Schmidt und Stephan ist, das erfährt der Hörer erst, wenn sie von solchen Kräften wieder erweckt wird: So wurde diese Edition zur Wiedergutmachung an zwei Meistern - und das in exquisiter technischer Qualität, optisch wie übrigens ebenso akustisch: Dank Blu-Ray lässt sich die Musik wahlweise auch in Audio-HD-Qualität genießen.