Nachruf. Der Pianist starb 78-jährig. Daß es ihm als US- Amerikaner gelungen war, 1958 die sagenhafte sowjetische Kaderschmiede auszuhebeln, machte ihn zur Legende.
Eine Konfettiparade in Manhattan – davon träumt wahrscheinlich jeder, jedenfalls jeder amerikanische Künstler. Einem Pianisten wurde sie zuteil: Van Cliburn, damals gerade 24 und Gewinner des Moskauer Tschaikowsky- Wettbewerbs. Was das im Jahr 1958 bedeutete? Mitten im Kalten Krieg fährt ein junger US-Amerikaner in die Höhle des Löwen und setzt sich gegen die besten Exponenten der sagenhaften sowjetischen Talenteschmiede durch!
Der russischen Propaganda verschlug es die Sprache. Umso lauter trommelten die Konkurrenten in Washington. Der Ruhm Van Cliburns war also ein politischer. Die Welt kannte seinen Namen, kaum jemand hatte ihn je spielen hören. Das sollte sich ändern – und zwar mit den modernsten Mitteln. Eben war ja die Langspielplatte erfunden worden. Und Van Cliburn wurde deren erster Rekordhalter. Über eine Million Mal verkaufte sich seine Aufnahme von Tschaikowskys erstem Klavierkonzert, jenes Werks, das er auch in Moskau vorzutragen hatte.
Es ging dabei gewiss nicht so sehr um die technische wie musikalische Qualität seines Klavierspiels. Die Aufnahme war aus besagten Gründen das, was die Branche einen Selbstläufer nennt. Doch lehren auch einige weitere Cliburn-Einspielungen – herausragend etwa jene des Schumann-Konzertes mit Fritz Reiner und dessen Chicagoer Symphonieorchester -, daß der Wettbewerbssieg nicht von ungefähr kam. Da spielt einer überlegt und im besten Sinne virtuos, ohne in zirkushafte Artisten-Attitüde zu verfallen. Schumanns Finalthema haben viele rasanter, aber kaum einer hat es so präzis artikuliert.
Früher Rückzug ins Private
Dem Druck, derartige Leistungen auch live bieten zu müssen, hat Van Cliburn nicht allzu lange standgehalten. Schon mit 44 Jahren zog er sich von den internationalen Podien zurück.
An den Ruhm des introvertierten Mannes, der bis zu seinem 17. Lebensjahr ausschließlich unter den Fittichen seiner Mutter künstlerisch gediehen war und in der Folge bei Rosina Lhevinne immerhin eine kurze Studienzeit lang auch mit russischem Klavierstil vertraut gemacht wurde, erinnert der nach ihm benannte Wettbewerb, der seit 1962 in olympischem Rhythmus in Texas ausgetragen wird.