Virtuoses Adieu

Meyers Abschieds-Gala

Staatsoper. Dominique Meyer musste fürs Abschiedskonzert keine Weltstars importieren. Er hat in zehn Jahren Spitzensänger für das ganze Repertoire im Ensemble vereinigt.

Wie sich die Bilder doch so gar nicht gleichen. Erinnern wir uns des Aufgebots an Weltstars, mit dem sich der vorletzte Operndirektor verabschiedet hat? Dominique Meyers Finale mutete wie eine Antithese dazu an: Zu seinem Adieu sangen (fast ausschließlich) Mitglieder des mehrheitlich sehr jungen Ensembles der Staatsoper; aber sie sangen wie Weltstars.

Das ist ein entscheidender Unterschied. An Stargastspielen mangelte es in der Ära Meyer ja weiß Gott nicht. Aber das eminente Niveau des Galakonzerts, bei dem erstmals seit dem Shutdown auch das hörbar animierte Orchester des Hauses wieder zu hören war, bewies vor allem eins: Dominique Meyer ist der Wiederaufbau eines schlagkräftigen Ensembles gelungen.

Genau das hatte er zu Amtsantritt proklamiert - und so gut wie keiner hatte geglaubt, dass es ihm gelingen würde, diese Ankündigung wahr zu machen. Ein Sängerensemble, das fähig sein sollte, (abgesehen vom Helden-Repertoire) auch die größten Partien in den Spielplan-Klassikern auf Spitzenniveau zu singen, das klang utopisch.

Und ist doch Realität geworden. Mittlerweile haben wir erlebt, wie Weltklasse-Tenöre auf Augenhöhe mit Ensemble-Mezzos Rossini sangen und dass nach Jahrzehnten die Da-Ponte-Opern vollständig "aus dem Haus" besetzt werden konnten.

Dementsprechend gipfelte der Mozart-Teil der Abschlussgala in einer launigen und sogar halbszenisch umgesetzten Darstellung des zweiten "Figaro"-Finales. Olga Bezsmertna hatte ihre innige große Arie schon zuvor gesungen und Valentina Nafornita mit einer nicht minder innigen "Rosenarie" nachgesetzt, eine Herausforderung, die Andrea Caroll als Susanna im komödiantischen Ensemble hernach mühelos annahm.

Mozart auf Festspiel-Niveau

Nebst bewährten, längst international arrivierten Familienmitgliedern wie Adam Plachetka, Chen Reiss oder Benjamin Bruns hatten zu diesem Zeitpunkt auch schon neue Namen aufhorchen lassen: die blutjunge Valeriia Savonskaia mit der (auch in der Tiefe schon perfekt sitzenden) "Felsenarie" ("Cosi fan tutte") und zwei ideale Cherubinos: Rachel Frenkel und Svetlina Stoyanova - alle miteinander (natürlich auch Adam Fischer als Animator am Pult) würden auch den Salzburger Festspielen Ehre machen . . .

Wer das für eine Übertreibung hält, sollte sich die Aufzeichnung des Livestreams zu Gemüte führen, den man zum Beweis dessen, was die Staatsoper mit Stand Sommer 2020 konnte, online stehen lassen sollte. Dann ließe sich auch nachhören, wie hinreißend Ensemble-Neuzugang Josh Lovell den Tonio ("Regimentstochter") mit beinah im Dutzend servierten hohen Cs gestaltete, wie Margarita Gritskova und Orhan Yildiz Koloraturgewandtheit mit darstellerischer Verschmitztheit in einem wahren Rossini-"Capriccio" (aus der "Italienerin in Algier") verschwisterten, wie weit Daniela Fally auf ihrem Weg vom Soubretten-Nesthäkchen zur reifen Gestalterin schon gelangt ist.

Außerordentlich: Samuel Hasselhorns butterweich phrasiertes "Lied an den Abendstern" ("Tannhäuser") im beeindruckenden Kontrast zu Tomasz Koniecznys aufwühlendem "Holländer"-Monolog. Aufregend zu hören, wie sich Anita Hartig zur waschechten Primadonnen-Größe der "Pace"-Arie ("Macht des Schicksals") aufschwingt, samtweich timbriert, doch mit der nötigen Attacke, über die auch Szilvia Vörös als Eboli ("Don Carlos") schon gebietet.

Dagegen nahm man die exzellenten Leistungen von Miriam Batstelli, Jinxu Xiahou oder Jongmin Park, weil - wie Marco Armiliatos Begleitkünste - aus zahlreichen Begegnungen bekannt, huldvoll zur Kenntnis. Man weiß um die Qualitäten und war versucht, dem Resümee der Schlussfuge aus Verdis "Falstaff" zu widersprechen: "Alles ist Spaß auf Erden" - vielleicht; aber Wien kann dank Dominique Meyer auch mit den ernstesten Opernherausforderungen umgehen.