Im Gespräch. Peter Lund, zuletzt mit Lehár in Mörbisch erfolgreich, demonstriert an der Volksoper, wie die Operette seiner Berliner Heimat sein kann: offenbachisch, frech und melodienselig.
Wer heutzutage eine Operette inszeniert, eine Operette Berliner Machart nota bene, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Operette? Das ist doch das, was man für einen ernst zu nehmenden Regisseur neudeutsch ein No-Go nennt. Nicht für Peter Lund allerdings, der an der Wiener Volksoper gerade Paul Linckes ,,Frau Luna" inszeniert und gar kein Problem mit der sogenannten leichten Muse hat. ,,Schon einmal, weil ich das Stück liebe und mich die unvergänglichen Gassenhauer glücklich machen." So lautet das scheinbar höchst unzeitgemäße Bekenntnis, eine Art Plädoyer für die aussterbende Spezies der Ohrwürmer.
Peter Lund ist einer, der auszog, die Gattung zu retten. ,,Schauen wir mal", sagt er mit unwiderstehlich frechem, preußischem Zungenschlag, ,,wie wir den Effekt erzeugen, daß sie heute noch glücklich macht."
„Die Operette ist nicht tot"
Das scheint dem geborenen Flensburger, den es – ,,nicht zuletzt wegen des Theaters" – gleich nach dem Abitur nach Berlin gezogen hat – wider alle gegenteiligen Gerüchte keine unlösbare Aufgabe. Seine Operettenleidenschaft datiert bereits aus der Jugendzeit. ,,Aufs Flensburger Theater", sagt er, ,,lasse ich ja nichts kommen. Dort gab es pro Jahr drei Operetten- und zwei Opernneuproduktionen. Und die Operetten waren in der Regel die besseren Aufführungen."
Seit damals hat sich auch zu Hause allerhand geändert. ,,Sogar meine Oma", sagt Lund, ,,hat sich gefreut, als es endlich Musicals zu sehen gab." Dennoch hält er die ältere Unterhaltungsgattung nicht für tot. Ganz im Gegenteil. Gerade mit Stücken wie jenem, dem er sich nun in Wien widmet, lässt sich allerhand anfangen – auch mit Blick auf ein junges Publikum.
Subtext: Wohnungsnot in Berlin
„Die Reise auf den Mond", sagt Lund, ,,ist ein uralter Topos, der unsere Neugierde immer aufs Neue weckt." Der Reflex funktioniert auch in unseren Tagen – die Volksoper spielt das Stück im gegenwärtigen Äon, ,,wobei wir die tatsächliche Mondlandung nicht berücksichtigen". Es gehe da eher um die Metapher: Bei Lincke ging es ja darum, in satirischer Weise Probleme wie die Wohnungsnot in Berlin aufs Korn zu nehmen – man dockt am Mond an, um ihn als eine Art Vorort für die deutsche Metropole urbar zu machen. Lund: ,,Das hat ja auch heute beinah kabarettistische Qualität."
Wenn im Übrigen die Berliner nach Wien kommen, um ihre berühmteste Operette vorzustellen, dann hat das ohnehin etwas von einer Mondlandung an sich. Überdies: ,,Wien und Berlin näher zusammenzurücken, das ist ja immer wieder versucht worden. Nicht unbedingt zum Vorteil – für beide", sagt Lund. ,,Man sucht dann wieder Abstand – aber man hat einander besser kennengelernt."
Um die rechte Mischung aus leichtem, spritzigem Tonfall und gemütvoller Melodienseligkeit zu erzielen, kombiniert man anläßlich der Wiener Premiere die beiden Versionen, die Paul Lincke von seiner ,,Frau Luna" angefertigt hat. ,,Es gibt eine einaktige frühe Fassung", plaudert der Regisseur aus der Operettenschule, ,,die hat Offenbach'schen Zuschnitt", ist schnell, geistreich, ein Pointenfeuerwerk. ,,Später gab es dann die große Berliner Revuevariante, in die der Komponist einige seiner berühmtesten Schlager reingeschmissen hat." Auf die will Lund natürlich auch nicht verzichten. Doch sichert ihm die Grundlage der Urfassung, daß dem Stück die ursprünglichen Eigenschaften erhalten bleiben: ,,Das hat etwas ganz und gar Unsentimentales."
So verschmelzen die Extreme – wie bei der Verschwisterung Berlins und Wiens: ,,Das geht ja wunderbar zusammen", kommentiert Lund, ,,der raunzige Humor der Wiener und der patzige der Berliner. Es sind zwei Großstädte – übrigens mit einer gemeinsamen Osterfahrung, die den anderen Weltstädten fehlt. Zwei Städte, die Weltoffenheit gelernt haben, eine gewisse Großzügigkeit, die viel zulässt." Zum Beispiel, ,,Frau Luna" – morgen, Samstag – in der Volksoper zur Erstaufführung zu bringen . . .