Was kostet Beethoven?

Zwischentöne Jetzt wissen wir endlich, was Beethoven wirklich wert ist Erkenntnisse: Chopin mochte lieber Herren als Damen und der "Fidelio"-Komponist war über die Qualität der Wiener Musiker empört.

So eine Ausgangssperre weitet den Horizont. Manch einer durchforstet jetzt ausländische Medien und findet etwa in einem britischen Musikblog den Hinweis auf eine schweizerische Radioanstalt, in der ein Redakteur verkündete, Beweise dafür gefunden zu haben, dass Frederic Chopin homosexuell war.

Angesichts der Gespaltenheit unserer Welt überlegt man bei Faktenkorrekturen dieses Kalibers gleich, was eine solche Nachricht für das Kulturbewusstsein in Chopins polnischer Heimat bedeuten mag. Heutzutage!

Und wie viele Menschen andererseits die Botschaft so freudig weiterverbreiten werden wie der Schweizer Redakteur und der englische Blogger.

Mir tun die Musikfreundinnen - die ohne Binnen-I - leid, die sich jetzt vielleicht gezwungen sehen, ihre Vorstellungen davon zurechtzurücken, was in so einer Klavier-Nocturne alles vor sich geht, in fis-Moll, in F-Dur oder, noch schlimmer, in H-Dur.

Das dürften aber letztendlich Kleinigkeiten sein gegen die Erkenntnis, dass Ludwig van Beethoven, ausgerechnet er, der Strenge, einen Sänger seiner "Fidelio"-Besetzung geduzt hat. Einen Bariton noch dazu.

Das wissen wir auch seit vergangenem Wochenende. Julia Ronge, die Kuratorin des Beethoven-Hauses Bonn, weiß es natürlich schon länger, aber wir haben jetzt erst erfahren, dass dieser Brief schon 2003 an unbekannt versteigert worden und dann verschwunden ist. Und dass unbekannt jetzt diese großzügige Schenkung gemacht hat.

Damit darf die Welt nachlesen, was der Komponist anno 1806 an Friedrich Sebastian Mayer geschrieben hat, der sein erster Pizarro im Theater an der Wien und offenbar sein Vertrauter gewesen ist.

Mayer, so schreibt Beethoven, möge doch bitte Herrn Kapellmeister Seyfried überreden, die zweite Aufführung des "Fidelio" zu dirigieren, denn als Komponist wolle er sich von einer Loge aus selbst überzeugen, wie sehr die Wiener Musiker sein Werk verhunzten. Aus der Nähe, also vom Dirigentenpult aus, hätte sich das alles schauerlich angehört und sollte geprobt und wieder geprobt werden.

Ein solches Bekenntnis verrät doch allerhand über die künstlerischen Umstände jener Epoche. Der Brief ist also ein wertvolles Geschenk!

Wie viel genau er wert ist, wissen wir auch seit voriger Woche. Da hat eine Dame in New York einen anderen Beethoven-Brief ersteigert - für 275.000 Dollar. Ohne Lockdown wäre uns das vielleicht entgangen, hätten wir uns doch bestimmt darum gekümmert, wer im Musikverein gerade Beethoven-Sonaten spielt; oder gar Chopin-Nocturnes . . .