Zum Wagner-Jubiläum

Wiener Geburtstagsgeschenk für Wagner: Der ,,Ring", neu besetzt

Staatsoper . Die einzige Gesamtaufführung der T etralogie im Jubiläumsjahr beschert Wiens Wagnerianern unter der Leitung von Franz Welser-Möst einige bemerkenswerte Sängerdebüts. Im ,,Rheingold" brillierte vor allem Norbert Ernst bei seinem Erstversuch als quirliger Feuergott Loge.

Nina Stemme wird erstmals in Wien alle drei Brünnhilden singen, Tomasz Konieczny, der grandiose Alberich der Premierenserie von Sven-Eric Bechtolfs Staatsopern-Inszenierung des ,,Rings des Nibelungen", verwandelt sich dreimal in Gott Wotan. Dafür stellt sich der Bösewichter-Haudegen des Ensembles, Wolfgang Bankl, erstmals als Alberich vor, Gerhard A. Siegel, zuletzt an der Met der Zwergenbruder Mime, singt die Partie zum ersten Mal in Wien. Sensationell geriet zum Beginn dieses Debütantenreigens am ,,Vorabend" der Tetralogie der Einstand des neuen Loge: Norbert Ernst, treues Ensemblemitglied und immer wieder hochgelobt dank prägnanter Gestaltungen von Charakterrollen – etwa des David in den ,,Meistersingern" -, wurde nach der Vorstellung mit Ovationen überschüttet. Aus gutem Grund. Der Loge könnte eine Paraderolle dieses Künstlers werden, den Wien als mustergültigen Interpreten stolz in die Welt schicken darf.

Schon die messerscharfe Diktion, mit der Ernst Wagners Stabreime Wort für Wort verständlich werden lässt, erweist, mit welcher Akribie dieser Künstler ans Werk geht. Die darstellerischen Qualitäten und die eminente Bühnenpräsenz sichern ihm zudem Eigenständgkeit gegenüber den nicht eben konturlosen Rollenvorgängern. Da hat sich ein Sänger minutiös seine ureigenste Gestaltung einer Schlüsselrolle modelliert.

Jede Bewegung, jede Phrase sitzt. Noch dem Flüsterton, etwa wenn Wotan animiert wird, den zur Kröte geschrumpften Alberich zu überwältigen, fehlt es nicht an Dringlichkeit. Und den Momenten des entfesselten orchestralen Klangrauschs begegnet expansive stimmliche Strahlkraft. Dergleichen gestalterisches Potenzial hat weltweit heute wenig Konkurrenz zu fürchten.

Die Tempi des Generalmusikdirektors

Wohingegen der Alberich Wolfgang Bankls noch manche Textundeutlichkeit, aber auch eine gewisse Kurzatmigkeit gegenüber den zum Teil rasanten, aber ganz Wagners Intentionen entsprechenden Tempi des Herrn Generalmusikdirektors auszumerzen hätte.

Tomasz Koniecznys Wotan hat dem zeitlichen und klanglichen philharmonischen Druck gegenüber weniger Mühe. Die Stimme des Sängers ordnet der gelernte Wiener Opernfreund zwar nach wie vor eher dem Nibelungenfürsten als dem Göttervater zu, doch bleibt Konieczny auch in der neuen Rolle ein wortgewandter Gestalter, der seiner ruhig, klar und besonnen argumentierenden Ehegattin, Mihoko Fijimura, gegenüber doch immer wieder – und hörbar aus gutem Grund – das letzte Wort behält.
Bekannte Größen die übrigen Vertreter der Götterwelt, Herbert Lippert als Froh, Boaz Daniel als Donner und Anna Larsson als Erda, ebenso die Riesen: Sorin Coliban und Ain Anger. Exzellent das Rheintöchter-Terzett, das Ileana Tonca mit herrlich füllig gewordenem, leuchtendem Sopran anführt. Ihre neuen Schwestern, Stephanie Houtzeel und Alisa Kolosova, lassen sich, was Stimmschönheit betrifft, nicht lumpen. So beginnt bereits klangsatt, was sich vor allem dank der grandiosen symphonischen Inszenierung Franz Welser-Mösts als durchwegs fesselndes Musikdrama entrollt: Die Philharmoniker musizieren in Geberlaune und mit ihrem untrüglichen Instinkt für die Pointenspiele zwischen Bühne und Orchester.

Was da an musiktheatralischem Detailschliff sozusagen auf natürliche Weise geschieht, das ist sozusagen das ,,ganz normale" Wiener Opernwunder.