Zwischentöne

Die Staatsoper zeigt den "Ring" trotz allem; dazu
gibt's Lektüre

Jetzt ist der Moment gekommen, wo die Segnungen der modernsten Video-Technik uns über eine unfreiwillige Pause im Kulturleben helfen.

Wagnerianer sind unter den Opernfreunden die durchschlagskräftigsten. Das weiß man. Kein Mailänder Loggionista kann mithalten, wenn Bayreuth-Jünger, deren Vorbild immerhin Hagens Mannenruf ist, loslegen. Insofern ist es klug zu versuchen, den teutonischen Grimm im Zaum zu halten.

Das geschieht angesichts der gesundheitspolitisch verordneten Theater-Schließungen in Wien. Das einzige Opernhaus der Welt, das im vergangenen Dezennium imstande war, in jeder Spielzeit einen kompletten Durchlauf der Nibelungen-Tetralogie zu bieten, gibt sich auch keine Blöße, wenn es anno 2020 nicht möglich ist, den geplanten "Ring" live zu zeigen.

Jetzt lassen sich die Früchte ernten. Was den Göttern die goldenen Äpfel aus Freias Garten sind, das ist Dominique Meyer sein Archiv aus Aufnahmen, die im Zug der etwa drei Dutzend im Internet übertragenen Live-Streams entstanden: Die zweite Hälfte seiner Amtszeit ist bestens dokumentiert.

So konnte gestern eine Reihe beginnen, in der ab sofort Tag für Tag wechselnd Vorstellungen der jüngeren Vergangenheit abgerufen werden können. Heute läuft noch das "Rheingold" vom 10. Jänner 2016 - unter Adam Fischers Leitung, der beim diesjährigen "Ring" am Pult stehen sollte. Am Abend des 18. März (dann wie alle anderen Streams 24 Stunden abrufbar) ist die "Walküre" vom 31. Mai 2015 zu sehen. "Siegfried" (22. März) und "Götterdämmerung" (28. März) sind dann Dokumentationen aus dem viel beachteten "Ring" unter Axel Kobers Leitung aus dem Vorjahr.

Wie bei antiken Tragödien gibt es zum "Ring" Satyrspiele, mehrheitlich buffonesker Art und allesamt aus dem italienischsprachigen Repertoire: "Falstaff" und "Cenerentola", "Figaro" und "Tosca" - und morgen, Dienstag, einen Ausflug ins Zeitgenössische: Peter Eötvös' Tschechow-Oper "Tri Sestri" mit den fulminanten drei Schwestern aus dem Ensemble, Aida Garifullina, Margarita Gritskova und Ilsejar Khayrullova, aus der vom Komponisten geleiteten Premierenserie 2016.

Und da wir alle brav zu Hause bleiben, empfiehlt sich, zur Lektüre während der "Ring"-Pausen ein neues Buch zu bestellen, das so aufschlussreich wie amüsant zu lesen ist.

Die Wiener Musikwissenschaftlerin Andrea Harrandt hat Anton Bruckners Beziehungen zu Richard Wagner genau erforscht und mit ihrem Band "Anton Bruckner in Bayreuth" eine lesenswerte Studie vorgelegt, die dank der Schrulligkeiten des großen Symphonikers auch viel Gelegenheit zum Schmunzeln bietet.

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